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Juni 2016
Oder: „Ein Kind ist ein Mensch, dem zum Glück die Probleme fehlen.“
(M. Winterhoff, in: „Tyrannen müssen nicht sein“, S. 62)
„Wer ständig wie vor oder in einer Katastrophe lebt, kann nicht glücklich sein“ (M. Winterhoff, in: Lasst Kinder wieder Kinder sein, S. 205) und niemanden glücklich machen, vor allem nicht Kinder. Denn wir können nur (weiter-)geben, was wir in uns tragen.
„Unsere Mitte, aus der die Kraft entspringt, das Leben zu meistern, und auch glückliche Kinder aufzuziehen, ist in uns!“ (M. Winterhoff, in: „Lasst Kinder wieder Kinder sein“, S.202).
Die Antwort auf diese zentrale Frage hängt wesentlich vom persönlichen geistlichen Stand-Punkt der Antwort gebenden Person ab.
Aus christlichem Stand-Punkt ist die Mitte der menschlichen Person ihr
inneres, geistiges HERZ .
Das echte Heiligtum des Menschen!
(Benedikt XVI.)
Wie das leibliche Wohl des Menschen existenziell von seinem fleischlichen Herzen abhängt, so entscheidet auch der „Zustand“ des geistigen Herzens über das geistige Wohl und Weh des Menschen.
Das Herz im biblischen Sinn ist der „Wesensgrund“, das „Innere“ der Person, worin sie sich für oder gegen Gott entscheidet (vgl. Katechismus der Kath. Kirche 368).
Somit fällt der Mensch im Herzen seine Entscheidung über die konkrete Befriedigung nach Abraham Maslow seines achten Bedürfnisses, nach Transzendenz. Mit dieser Entscheidung verknüpft ist auch die Frage nach Sinn und Qualität seines Leben.
Das Herz ist das Symbol der Liebe. Don Bosco sagt: „Lieben heißt: Das Glück des andern suchen.“ Die Liebe findet also am Glücklichsein des anderen ihr eigenes Glück. Dies zeigt, dass der Mensch ein durch und durch soziales Wesen (Aristoteles) ist. Seine Person ist in ihrem Innersten – in ihrem Herzen – auf ein Du, auf Gemeinschaft ausgerichtet. Gemeinschaft ist auch das, was jeden Menschen immer wieder glücklich macht (vgl. Manfred Spitzer). Ein auf Dauer einsamer Mensch ist lebensunfähig. Ihm fehlt es grundlegend an Lebensqualität.
Michael Winterhoff spricht von einer „sozialen Persönlichkeit“. Dies ist ein Mensch, „der sich als individuelle Person behauptet und Teil der Gesellschaft [Gemeinschaft] ist, ohne nur Rädchen im Getriebe zu sein.“ (M. Winterhoff in: Persönlichkeiten statt Tyrannen, S. 173)
Eine soziale Persönlichkeit ist somit gewiss kein Mensch, der immer alleine lebt und/oder (immer) nur an sich und sein eigenes Glück denkt. Es ist vielmehr ein Mensch, der sich auch und vor allem durch einen Blick für die anderen auszeichnet, der ein Gemeinschaftsbewusstsein besitzt und das eigene Glück in besonderer Weise im Glück des anderen sieht und sucht.
Diese Liebe ist die höchste tugendhafte, sittliche -Haltung, die einen Menschen kennzeichnen und innerlich erfüllen kann. Der hl. Apostel Paulus sagt: „Wenn ich alles hätte und könnte, ‚hätte aber die Liebe nicht, so wäre ich nichts‘; und wenn ich alles, was Vorrecht, Dienst und selbst Tugend ist, besäße, ‚hätte aber die Liebe nicht, nützte es mir nichts‘ (1 Kor 13, 1-4). Die Liebe steht über allen Tugenden.“ (Katechismus der Kath. Kirche 1826)
„Die Frucht der Liebe sind Freude, Friede und Barmherzigkeit; die Liebe verlangt Wohltätigkeit und brüderliche Zurechtweisung; sie ist Wohlwollen; sie will gegenseitig sein; sie bleibt uneigennützig und großzügig; sie ist Freundschaft und Gemeinschaft.“ (Katechismus der Kath. Kirche 1829)
„Die Liebe ist das Band, das alles zusammenhält und vollkommen macht“ (Kol 3, 14).
Diese Liebe lässt den einzelnen Menschen nicht zu kurz kommen. Er weiß, dass auch er eine einmalige, höchst individuelle und von Gott uneingeschränkt und vorbehaltlos gewollte und geliebte Person ist um als solche, Teil der Gemeinschaft aller Menschen zu sein. Dieser Mensch weiß um seinen ganz persönlichen Lebensplatz und den damit verbundenen Auftrag, den Gott ihm um der Mitmenschen willen zugedacht hat. Quasi als „Pro-Existenz“ im Liebesplan Gottes (vgl. Benedikt XVI) soll er diesen suchen und bewusst umsetzen. Dabei muss er immer wieder im Bewusstsein seiner Verantwortung freie Entscheidungen treffen. Dies schließt ein Leben als bloßes „Rädchen im Getriebe“ grundsätzlich aus.
Diese Liebe war und ist das „Markenzeichen“ aller Heiligen und Seligen. Sie waren in ihrem Inneren zutiefst glücklich, wenn sie anderen Gutes tun konnten. Im Lateinischen gibt es ein Wort für „glücklich“ und „selig“, nämlich „beatus/beata“ – der/die Glückliche bzw. Selige. Diese Verknüpfung kommt im Deutschen besonders treffend zum Ausdruck in dem Begriff „glückselig“.
(Zur Erklärung: Heilige und Selige sind Menschen, die nach intensiver kirchlicher Prüfung ihres Lebens und Sterbens „zur Ehre der Altäre“ erhoben wurden und den Menschen als sichere Vorbilder und Fürsprecher bei Gott empfohlen werden. Bei Heiligen ist der räumliche Bekanntheits- und Verehrungsradius größer als bei Seligen. Beide aber erfreuen sich im vollen Maße der himmlischen Glückseligkeit, des Lebens bei, ja in Gott.)
Die Heiligen/Seligen lebten und erlebten
in ihrem Alltag ununterbrochen die Realität
der nebenstehenden Lebensweisheit .
Dies beschenkte sie mit einem glücklichen
und führte sie somit zu einer hohen
Lebensqualität.
Dabei richtete sich ihr Mühen sowohl auf das leibliche Wohl als auch auf das geistige Wohl ihrer Mitmenschen. Sie lebten in ihrem Alltag mit ganzem Herzen die Werke der Barmherzigkeit und ließen sich jede Not des Nächsten „zu Herzen gehen“ (d.h. barm-herzig sein).
Werke der leiblichen Barmherzigkeit: Hungernde speisen, Durstigen zu trinken geben, Nackte bekleiden, Obdachlose/Fremde beherbergen, Kranke besuchen, sich um Gefangene sorgen, Tote begraben, an Arme Almosen geben
Werke der geistigen Barmherzigkeit: Unwissende lehren, Zweifelnden raten, Trauernde trösten, Sünder zurechtweisen, verzeihen, Lästige ertragen, für andere beten
Bischof Stefan Oster sagte einmal in einer Predigt den bemerkenswerten Satz: „Kein Heiliger hat je einen Krieg begonnen.“
Dem entspricht auch die allgemeingültige Erkenntnis: „Jeder Krieg und Streit beginnt im Herzen eines Menschen.“
Wovon das Herz voll ist,
davon spricht der Mund.“
(Lk 6, 45)
Jedem Wort und jeder Tat geht aber immer ein Gedanke voraus. Die Gedanken aber entstehen im Herzen des Menschen – sowohl die guten als auch die bösen. Daher heißt es ja auch im Schuldbekenntnis der katholischen Messe: „Ich bekenne … , dass ich Gutes unterlassen und Böses getan habe. Ich habe gesündigt in Gedanken, Worten und Werken.“
Jesus sagt: „Nichts, was von außen in den Menschen hineinkommt, kann ihn unrein [schlecht, böse] machen, sondern was aus dem Menschen [aus seinem Inneren, seinem Herzen] herauskommt, macht ihn unrein [schlecht, böse].“ (Mk 7, 15).
Das Herz ist der „Wesensgrund“, das „Innere“ der Person, der „Ort“ all ihrer Entscheidungen.
Hier entscheidet der Mensch sich frei für oder gegen das Gute bzw. Schlechte!
Hier entscheidet der Mensch sich frei zwischen den Maßstäben Gottes oder der Menschen!
An diesem „Ort“ sind der Verstand und der Wille des Menschen beheimatet – aber auch seine Psyche (siehe späterer Rb). Mit seinem Verstand kann der Mensch gemäß seiner Wahrnehmungen Erkenntnisse gewinnen. Der Wille des Menschen ist grundsätzlich frei in seiner Entscheidung für oder gegen das Gute bzw. Schlechte und wird demgemäß über die ihm vom Verstand vorgelegten Erkenntnisse entscheiden. Doch spielen hierbei u.a. die Gewohnheiten eine schwerwiegende Rolle. Diese eignet sich der Mensch im Laufe seines gesamten Lebens (aber v.a. in seiner Kindheit und Jugendzeit!) an. Sie hinterlegen sich aufgrund ihrer Wiederholungen in der Psyche und werden von ihr schließlich auch als Beglückung eingefordert. Auf diese Weise übt die Psyche ein sehr starkes „Mitspracherecht“ aus. Dabei ist zu bedenken, dass sie selber unvernünftig ist, d.h. sie fordert die Gewohnheiten blind ein, ohne Sinn und Qualität bedenken zu können.
Durch alle DREI – Verstand, Wille und Psyche – gibt der Mensch seinem Herzen die Prägung. Sie bestimmen das Maß seines inneren Gleichgewichtes, seines Glücklichseins. Wenn die Erkenntnis des Verstandes und die Glückssehnsucht der Psyche auf ein und dasselbe objektiv gute Objekt ausgerichtet sind, kann der Wille seine Entscheidung problemlos treffen. Der Mensch erlebt hierbei ein inneres Gleichgewicht, eine tiefe innere Ruhe, die sich durch nichts Äußerliches beeinträchtigen lässt. Dies war auch das „Geheimnis“ eines P. Maximilian Kolbe, einer Edith Stein, …, die in Mitten des KZs eine unerschütterliche Ruhe ausströmten, da sie mit allen Fasern ihres Herzen auf Gott ausgerichtet waren und blieben.
Doch gelingt diesen DREIEN ein solches „reibungsloses Miteinander“ nur höchst selten. Es wird in der Regel durch zahlreiche äußere Einflüsse immer wieder beeinträchtigt und vielfach gefährdet. (Vertiefung dieser Gedankengänge folgt in einem der nächsten Rundbriefe.)
„Kinder haben ein natürliches inneres Gleichgewicht, das durch äußere Einflüsse gefährdet wird, vor allem durch übermäßigen Druck.“ (Michael Winterhoff in „Lasst Kinder wieder Kinder sein“, S. 34)
(siehe Rundbrief 3: Aspekte zu Ruhe und inneres Gleichgewicht)
Warum sind Kinder, die nicht schon frühzeitig erwachsen sein müssen, innerlich im Gleichgewicht und daher uns Erwachsenen ein Vor-Bild?
4.1 Kindern fehlen zum Glück die Sorgen. (vgl. M. Winterhoff in: „Tyrannen müssen nicht sein“, S. 62)
Kinder, die Kinder sein dürfen, überlassen bzw. übergeben ihre Sorgen, Nöte, Ängste, Schmerzen, Fragen, Ungewissheiten … den Eltern, älteren Geschwistern, nahen Verwandten, Erzieher/innen, Lehrer/innen, d.h. dem jeweiligen „sicheren Hafen“!
Wie Väter und Mütter ihren Kindern in besonderer Weise „sicherer Hafen“ sind, so bietet Gott allen Menschen – den Kleinen und den Großen – sich selber als der „sicherste Hafen“ an.
Er offenbart sich ja durch Jesus als VATER, zu dem wir wie Jesus und mit Jesus sprechen dürfen: Vater unser (vgl. Mt 6, 9)
4.2 „Werdet wie die Kinder“ (Lk 18,3)
Leben wir nicht als Waisenkinder, sondern als Kinder Gottes, wie es Bischof Stefan Oster einmal ausdrückte. Wir haben einen VATER, dem wir immer alles anvertrauen können – wie Kinder ihren Eltern. Gott bietet jedem Menschen in jeder Lebenssituation eine im zweifachen Sinne „Liebe umsonst“ (Ferdinand Ulrich) als unverdientes Geschenk an – wie es auch Eltern ihren Kindern gegenüber eigen ist.
Beide – Gott und die Eltern – respektieren aber auch die Freiheit ihrer Kinder, die ihre Entscheidungen im Herzen treffen müssen. Beide helfen jedoch auch Liebe-voll (der Kinder tatsächliches Glück suchend) bei ihrer Herzensbildung mit. Sie nehmen dabei die Enttäuschung, (scheinbar) umsonst geliebt zu haben, in Kauf, wenn die Kinder ein „Nein, ich will nicht“ ihrer Liebe entgegensetzen. Und doch bleiben ihre Hände ausgestreckt, ihre Augen beim Ausschauhalten nach den Kindern, um sie erneut auf- und anzunehmen, wenn sie sich wieder zu ihnen hinkehren mit einem aufrichtigen, kindlichen Herzen (vgl. Gleichnis vom verlorenen Sohn Lk 15, 11- 32).
4.3 Kinder kennen ihren kostbaren Schatz
Kinder – ob klein oder groß – wissen um die unwiderrufliche Liebe ihres „sicheren Hafens“. Er ist für sie wie ein unüberbietbarer Schatz. Bei ihm werden sie in letzter Not immer wieder „vor Anker“ gehen, um neue Kraft zu schöpfen und dann wieder „in See zu stechen“. Mit diesem Vertrauen erweisen sie ihrem „sicheren Hafen“ die schönste Form der Widerliebe.
Machen wir Erwachsenen es ihnen doch nach – alleine oder gemeinsam – und laufen immer wieder neu in den „sichersten Hafen“ ein, der Gott selber ist. So können auch wir Erwachsenen wiederum den Kindern ein Hinweis sein – ein Hinweis zum größten Schatz: Gottes Liebe umsonst.
FAZIT:
Das Herz ist unsere Mitte. In ihm verbirgt sich die Sehnsucht nach Leben und zwar nach einem glücklichen Leben. Daher ist es von entscheidender Wichtigkeit, wo es seinen Schatz gefunden hat, mit welchen Reichtümern (Sinn, Werte, Orientierung, Halt) es angefüllt ist. Die Entscheidung, ob wir Gottes Angebot(e) annehmen oder nicht, trifft jeder Mensch persönlich in seinem Herzen !
Leben aus der Mitte heraus heißt: Auf sein hören – in sein schauen. Auf die Liebe, die das Glück des anderen sucht, ausgerichtet sein.
Wie bei Kindern so wird auch bei uns Erwachsenen das innere Gleichgewicht, das Glücklichsein, durch äußere Einflüsse gefährdet, vor allem durch übermäßigen Druck“ (vgl. M. Winterhoff s. 4.). Dies gilt bes. für unsere Beziehungen zu Kindern.
(Fortsetzung im nächsten Rundbrief)
Wir Erwachsenen haben die große Aufgabe (die Berufung!) „sicherer Hafen“ zu sein. Doch ein Hafen ist nur in dem Maße sicher, in dem es in ihm ruhig und still ist. In keinem Wirbel und Sturm, in keiner Un-Ruhe ist Sicherheit zu finden. Es gilt das „Hamsterrad“ unseres Lebens anzuhalten, damit wir (wieder) zu Ruhe und Intuition hinfinden – um unserer Kinder willen.
(Michaela Dütsch)
Jeder Rundbrief steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Homepage www.schmetterling-statt-raupe.de, die im Wesentlichen auf den Darlegungen von Dr. Michael Winterhoff basiert. Alle blau gefärbten Textteile sind Links zu derselben.